Husten, Räuspern, Schmerzen – wer an einer Schluckstörung (medizinisch: Dysphagie) leidet, verliert nicht nur die Freude am Essen, sondern läuft schlimmstenfalls sogar Gefahr an einer lebensgefährlichen Lungenentzündung zu erkranken. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa vier von zehn Menschen über 75 Jahre Probleme beim Schlucken haben. Ursächlich sind oftmals altersbedingte organische Veränderungen und Abbauprozesse. Das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln ist gestört und verlangsamt. Auch Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson, Demenz oder eine COVID19-Erkrankung können ursächlich für Einschränkungen der Schluckfunktion sein oder bereits bestehende Probleme verschlimmern.
Funktionseinschränkung mit schweren Folgen
Ist die „Schluckstraße“, also der Weg vom Mund in den Magen, bei jungen, gesunden Menschen eine gute ausgebaute Autobahn, so gleicht sie bei Erkrankungen oder im fortgeschrittenem Alter mehr einer sanierungsbedürftigen Pflasterstraße mit Schlaglöchern, Baustellen und Spurrinnen.
Peter Schmiedel ist Chefarzt der Klinik für Geriatrie (Altersmedizin) am AMEOS Klinikum Staßfurt. Patientinnen und Patienten mit Schluckbeschwerden gehören für ihn zum beruflichen Alltag. „Eine Schluckstörung kann prinzipiell in zwei unterschiedliche Formen unterteilt werden“, erklärt er.
Bei der so genannten Odynophagie löst der Schluckvorgang starke Schmerzen in Mund, Rachen oder Speiseröhre aus. Ursächlich hierfür können eine Entzündung der Mandeln oder Sodbrennen sein. Betroffene können feste Nahrung kaum mehr zu sich nehmen. Breiartige, verflüssigte Kost oder gar der weitest mögliche Verzicht aufs Essen erscheint Patientinnen und Patienten als einziger Ausweg.
Bei der zweiten Form der Schluckstörung ist der Nahrungstransport gestört. Jeder Bissen wird von einem Hustenreiz begleitet. Ist dies der Fall, liegt zumeist eine Funktionsstörung im Kehlkopf, Lippen oder Zunge vor. Schließt z. B. der Kehlkopf nicht richtig, gelangen Speichel, Nahrung und Flüssigkeiten unkontrolliert in die Lunge. Bleibt die Störung unbehandelt, können Entzündungen oder chronische Schäden der Lunge und selbst akutes Ersticken die Folge sein.
Endoskopische Untersuchung macht Störung sichtbar
Um festzustellen, wie Menschen mit einer Schluckstörung am besten zu helfen ist, braucht es zuerst eine gründliche Diagnostik. Durchgeführt wird sie von einem interdisziplinär arbeitenden Team aus im Fachbereich der Dysphagie ausgebildeten und erfahrenen Medizinerinnen und Medizinern in Zusammenarbeit mit Logopädinnen und Logopäden.
Neben der klinischen Schluckuntersuchung, also der Beobachtung des Patienten oder der Patientin bei der Nahrungsaufnahme „von außen“, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Diagnostik die apparative Schluckuntersuchung, also die Beobachtung des Schluckvorgangs „von innen“ – mit einer speziellen Sonde.
Bei der endoskopischen Untersuchung arbeiten Medizin und Logopädie wie ein Tandem zusammen. Durch die Nase wird das flexible Gerät vorsichtig bis in den Rachenraum geschoben. An einem Monitor kann genau beobachtet werden, was dort passiert. Zuerst werden die grundlegenden Funktionen wie Atmung, Stimmgebung und Husten überprüft. Danach werden kleine Mengen verschiedener Nahrungskonsistenzen (breiig, flüssig, fest) gereicht. Bei allen wird der Schluckvorgang genau aufgezeichnet. So können nicht nur Medizin und Logopädie den optimalen Therapieplan entwickeln. Auch Patientinnen und Patienten können anhand der Videoaufnahmen genau nachvollziehen, was passiert, wenn sie schlucken.
Erhaltung von Lebensqualität und sozialer Teilhabe
Wichtig ist bei allen Formen der Schluckstörung, dass die Therapie möglichst früh beginnt. Eine wirksame Behandlung muss dabei nicht mal kompliziert oder zeitraubend sein. Während sich manche ursächliche Krankheitsbilder gut medikamentös lindern lassen, helfen bei anderen Ursachen funktionelle Übungen oder eine Anpassung von Kostformen und Essgewohnheiten.
Ziel der logopädischen Behandlung ist es dabei immer so lange wie möglich eine natürliche orale Ernährung zu ermöglichen und den Kostaufbau in der jeweils medizinisch vertretbaren Form therapeutisch zu begleiten, um so eine künstliche Ernährung (z. B. über eine Magensonde) zu vermeiden. Essen und Trinken sind ein wichtiger Aspekt von Lebensqualität und sozialer Teilhabe. Daher ist es außerordentlich wichtig Menschen mit Schluckstörungen fachkompetent zu betreuen, medizinisch und therapeutisch zu begleiten und sie durch ein gezieltes Training dabei zu unterstützen eine gestörte Schluckfunktion wiederherzustellen oder wenigstens zu verbessern.