Extraschicht jetzt auf der Schulbank Vom Bergmann zum Altenpfleger In 1.100 Metern unter der Erde – nach 27 Jahren als Kumpel war Schicht im Schacht Das Vorlesen der Top News aus der Tageszeitung bereitet nicht nur Senioren Freude „Papa, beeil‘ dich, sonst kommst du zu spät zur Schule!“ – Dieser Rollen wechsel im Hause Baytekin lässt die Familienmitglieder schmunzeln. Denn während einer der beiden erwachsenen Söhne gerade das Abi gemacht und der andere bereits als Filialleiter das Sagen hat, darf Vater Ersin Baytekin noch einmal die Schulbank drücken. Als 2018 – nach 27 Jahren als Kumpel – Schicht im Schacht der Zeche Prosper Haniel war, musste sich der Oberhausener neu orientieren. Er wagte mit 44 einen beruflichen Neuanfang mit einer Ausbildung zum Altenpfleger im AMEOS Pflege Zentrum Ober hausen. Es dauerte ein paar Wochen, bis er sich eingewöhnt hatte. Aber als ge standener Kumpel und Familien vater mit viel Lebenserfahrung und vor allem durch seine Begabung im Umgang mit den Senioren, wurde er schnell ein fester und unverzicht barer Teil des Teams. Auch Anna Chrobok, Koordinatorin für die Aus, Fort und Weiterbildung für die AMEOS Pflege Zentren Oberhausen, erkannte sofort, dass hier jemand arbeitete, der genau die Voraus setzungen mitbrachte, die man in der Pflege braucht: Gewissenhaftig keit, Wertschätzung, Empathie und Teamfähigkeit. „Auf Herrn Baytekin kann man sich 100prozentig verlassen und er kommt nicht nur bei den Kolleg*in nen sehr gut an. Besonders die Senioren haben ihn ins Herz ge schlossen,“ berichtet Anna Chrobok stolz. „Sich für die Bewohner*innen Zeit zu nehmen, mit ihnen über die Familie, Gott und die Welt zu sprechen oder einfach mal zuzuhö ren“, das bereitet dem talentierten Baytekin besonders viel Freude. Gerade in den Zeiten, wo Besuchs verbot in den Einrichtungen galt, waren die sozialen Kontakte zum Pflegepersonal so wichtig. Als er ei ner Bewohnerin, die ihren 100jäh rigen Geburtstag alleine feiern musste, den Brief ihrer Enkelkinder vorlas, musste er kurz den Raum verlassen. „Der Brief war so traurig und hat mich so bewegt, dass mir die Tränen in den Augen standen.“ Was er als Kumpel unter Männern vermisst, ist das „Anfahren“, also der Abstieg in den Schacht, das Wackeln und Rütteln des Förder korbs, der ihn hinab auf 1.100 Meter in völliger Dunkelheit bringt und natürlich die Gespräche unter Kum pels. „Man muss sich schon daran gewöhnen, in einer von Frauen dominierten Arbeitswelt seinen Mann zu stehen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Er ist sich sicher, einen Job fürs Leben gefunden zu haben. Annette Kary, Oberhausen 28