Der Lockdown geht in die nächste Runde. Bund und Länder einigten sich auf eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen und auf eine Verschärfung der Regeln. Soziale Kontakte sollen auf ein Minimum reduziert werden. Chefarzt Dr. med. univ. (Wien) Robert Hitsch verrät, wie die gute Laune trotz allem erhalten bleibt und die Psyche nicht leidet.

Dr. Hitsch leitet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am AMEOS Klinikum Seepark Geestland. „Kontakte zu pflegen, gehört zum Menschsein dazu“, erklärt er im Interview mit der Nordsee-Zeitung. „Daher ist die Beschränkung auf einen weiteren Einzelkontakt eine gewisse Verarmung der Psyche.“ Die Menschen müssten daher unbedingt versuchen, diesen Kontakt weiterhin zu pflegen. Als soziale Wesen seien auch telefonische Kontakte unbedingt notwendig, die Jüngeren sollten auch künftig ihre Beziehungen über elektronische Medien pflegen. „Die Isolation zuhause ist am besten auszuhalten, wenn man kleine Rituale wie regelmäßiges Kochen einhält“, so Dr. Hitsch. „Für Stabilität sorgt es auch, sich selbst und seine Umgebung zu pflegen, zu sortieren und aufzuräumen: Wer seine Wohnung aufräumt, räumt seine Seele auf.“

Sport- und Fitnessanlagen sind geschlossen, doch der eine oder andere hat sich mittlerweile ein paar Corona-Kilos angefuttert. Dr. Hitsch rät, alles, was erlaubt ist, auch zu auszunutzen. So können die Leute sich nach wie vor an der frischen Luft bewegen oder Yoga und Pilates zuhause machen. Anleitungen dazu gäbe es genügend im Internet. Auch der alte Hometrainer darf ruhig entstaubt und reaktiviert werden.

Hilfe gegen psychische Verarmung

Auf die Frage, ob die psychischen Folgen gegenüber den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise vernachlässigt werden, antwortet Dr. Hitsch: „Die wirtschaftliche Basis und die seelischen Folgen stehen in einem direkten Zusammenhang. Es ist kein Zufall, dass wir sowohl von einer wirtschaftlichen als auch von einer seelischen Depression sprechen.“ Er ist der Meinung, dass unsere Wirtschaft sehr Robust ist und uns diese Robustheit über die Kreise hinweghelfen wird. Wer einsieht, dass die Beschränkungen notwendig sind, kann auch die psychische Verarmung eine Zeit lang aushalten.

Dafür ist es wichtig, Pläne zu schmieden, nach vorne zu schauen und 2020 abzuhaken. Dr. Hitsch rät, Nachrichten, die herunterziehen, mit anderen zu besprechen: „Hilfreich ist, über Schwierigkeiten, die in der Familie zu entstehen, zu sprechen oder darüber, dass einem die Decke auf den Kopf fällt.“ Laut dem Chefarzt lässt sich die soziale Isolation außerdem leichter aushalten, wenn man liest, um gedanklich in andere Welten einzutauchen. Auch neue Fähigkeiten wie eine neue Sprache zu erlernen, können helfen.

Den Blick nach vorne richten

Entscheidend ist, den Optimismus nicht zu verlieren. „Die Krise wird ein Ende haben, es gibt ja die Impfung, die uns irgendwann ‚rausreißen‘ wird“, betont der Chefarzt. Wenn der Blick zu sehr auf 2020 gelenkt wird, werden langfristig ausgeprägtere Grade von Depressionen auftreten, prognostiziert er. „Daher lieber den Blick vorwärts richten, die Scherben nehmen und sie wieder zusammenbauen. 2021 wird ein besseres Jahr.“

Wer jedoch in eine echte Krise gerät, sollte sich unbedingt Hilfe suchen. Psychotherapeuten bieten Notfallsprechstunden an. In Notfallsituationen können sich Menschen auch an die Institutsambulanzen der Kliniken in Bremerhaven, Geestland und Cuxhaven wenden. Auch die Telefonseelsorge, kirchliche Ansprechpartner, Mentoren aus Selbsthilfegruppen und Suchberatungsstellen stehen zur Verfügung.