Auch fast drei Jahre nach der Etablierung des Linksherzkatheterlabors am AMEOS Klinikum Mitte Bremerhaven, ist es noch immer Bestandteil der öffentlichen Diskussion. Im andauernden Rechtsstreit zwischen den Kostenträgern und AMEOS geht es um die Abrechnung der erbrachten kardiologischen Leistungen. Um einen eigenen Eindruck von der Thematik zu gewinnen, besichtigte Bürgerschaftsabgeordneter Bernd Ravens, parteilos, die Funktionseinheit.

Ravens folgte dabei der Einladung von Dr. med. Wolfgang Dausch, Chefarzt der Klinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäßmedizin am AMEOS Klinikum Mitte Bremerhaven. „Ich kann mir nur eine Meinung bilden, wenn ich vor Ort bin und sehe wie die Menschen arbeiten. Aus diesem Grund besichtige ich zum Beispiel auch Fischverarbeitungsbetriebe, fahre auf Müllwagen mit oder schaue dem Neurochirurgen bei einer OP über die Schulter“, erläutert Ravens.

Dr. Dausch zeigte sich begeistert von dem Interesse des Politikers und legte anschaulich dar, wie groß die Notwendigkeit eines zweiten Herzkathetermessplatzes in Bremerhaven ist. „Im vergangenen Jahr haben wir an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden am Tag, 3170 Fälle bei uns behandelt. In diesem Jahr werden es mehr als 3500 Fälle sein. Diese Zahl kann man einfach nicht mehr unter den Teppich kehren.“, so der Kardiologe. Knapp zwei Drittel der Patienten kommen mit einem dringend zu behandelnden Beschwerdebild, ungefähr ein Drittel als Notfall. Doch die Krankenkassen weigern sich, die erbrachten Behandlungsleistungen zu zahlen, da der Versorgungsauftrag im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide liegt.

Einen Umstand, den Chefarzt Dr. Dausch nur schwer nachvollziehen kann. Vor der Etablierung des Herzkatheterlabors am AMEOS Klinikum Mitte Bremerhaven wurden Patienten, die sich mit einem Infarkt oder einer Durchblutungsstörung vorstellten, nach der ersten Begutachtung in der Notaufnahme in eine niedergelassene Praxis gefahren. „Dort wurde das betroffene Herzkranzgefäß eröffnet und der Patient kam zur stationären Nachbehandlung zu uns.“, berichtet Dr. Dausch. Abgerechnet wurde die Leistung von der Krankenkasse über das Klinikum, die Praxis erhielt im Rahmen eines Vertrages einen Anteil zur Kostendeckung. „Die Kassen haben die Leistungen also zuvor bereits gezahlt. Der einzige Unterschied zur Gegenwart ist, dass zuvor durch den Transport ein wertvoller, zum Teil lebensentscheidender Zeitverlust für den Patienten entstanden ist.“, erklärt der Experte Dausch.

Die Kosten für den Bau und die Etablierung des Messplatzes wurden 2015 von AMEOS gedeckt, Steuergelder wurden nicht verwendet. Um das Leistungsangebot in der Region weiterhin aufrecht zu erhalten, tritt AMEOS für alle Untersuchungen in Vorleistung. Nur in mühsamen Gerichtsterminen werden die Kosten zum Teil durch die Kassen erstattet. „Ich verfolge die Diskussion um einen zweiten Messplatz schon sehr lange und bin verärgert, dass die Kostenträger keine Kompromissbereitschaft zeigen“, berichtet Ravens über seine Intention, das Klinikum zu besuchen. Besonders die fehlende Patientenorientierung stört den Politiker: „Medizin ist für Menschen da. Jedes Leistungsangebot, dass Menschen hilft, sollte um jeden Preis unterstützt werden. Es ist AMEOS hoch anzurechnen, dass trotz aller Widerstände an der Fortführung des Herzkatheterlabors festgehalten wird, um die Versorgung in der Stadt noch weiter zu verbessern.“

Ein einzelner Messplatz in Bremerhaven birgt dabei ein großes Risiko für den Patienten. Wenn im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide zwei nahezu parallele Herzinfarktpatienten vorstellig werden, muss einer dieser Patienten zur Behandlung nach Cuxhaven oder Bremen gebracht werden – sofern kein zweiter Kathetermessplatz in Bremerhaven vorgehalten wird. „Das ist kostbare Zeit, die man bei einem akuten Infarkt nicht hat“, so Dausch. Die Unterversorgung des Landes Bremen spiegelt sich auch in Statistiken wider: Bremen und Bremerhaven weisen die höchste Sterblichkeit bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen aller westlicher Bundesländer auf.

Im Optimalfall wird ein Gefäß innerhalb von 90 Minuten nach dem Eintreffen im Klinikum eröffnet. Diese „door-to-balloon“-Zeit wird im AMEOS Klinikum Mitte Bremerhaven deutlich unterboten. „Im Schnitt behandeln wir einen Gefäßverschluss im Herzen innerhalb von 70 Minuten“, berichtet der Kardiologe. Dies ist besonders den routinierten Abläufen und der räumlichen Nähe zwischen Schockraum und Herzkatheterlabor geschuldet – nur knapp fünf Meter trennen die beiden Räume. Zudem liegt das AMEOS Klinikum Mitte Bremerhaven zentral mitten in der Innenstadt und kann so vor allem von Rettungsdiensten aus dem Norden sehr gut erreicht werden.

Bei der Begehung der Räumlichkeiten zeigte sich Ravens beeindruckt von der hochtechnisierten Medizin. An verschiedenen Röntgenbildern konstruierte Dr. Dausch den Verlauf einer Herzkatheteruntersuchung und präsentierte zahlreiche Materialien, die dabei eingesetzt werden. Bei der minimal-invasiven Untersuchung wird ein Katheter über die Hand- oder Leistenschlagader ins Herz geschoben, um dort mögliche Engstellen zu erkennen und mit einem Stent zu beheben.

Eine schonende Untersuchungs- und Behandlungsmethode, von der besonders ältere Patienten profitieren. „Unsere Patienten werden immer älter und mit steigendem Alter nimmt auch das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu“, so der Kardiologe. Um auch zukünftig den steigenden Anforderungen des demographischen Wandels gerecht zu werden, plädiert Dr. Dausch eindringlich für die Fortführung des Leistungsangebots. Eine Haltung, die Bernd Ravens vollumfänglich teilt: „Ich bin der Meinung, dass die Diskussion endlich eine medizinische Ebene erreichen sollte. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor die Todesursache Nummer 1. Bremerhaven braucht einen zweiten Linksherzkatheter und ich werde das Vorhaben weiterhin aktiv unterstützen.“