Bevor Mediziner eine Demenz feststellen, diagnostizieren sie häufig eine Depression. Wie und warum es zu so einer Diagnose kommen kann, erläutert Dr. Claudia Dallmann, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
Ganz oft berichten pflegende Angehörige in der Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg, dass bei ihrem demenzkranken Partner zunächst die Diagnose einer Depression gestellt worden sei. Nicht selten schwingt dabei Unverständnis mit und sie stellen die Frage, wie es denn bloß sein könne, dass ein Arzt eine solche Fehldiagnose stellt.
Oder aber sie entdecken an sich selbst Symptome, die auch ihre dementen Angehörigen zu Beginn ihrer Erkrankung hatten und fragen sich nun besorgt, ob sie am Ende selbst eine Demenz bekommen. Neben einer demenziellen Erkrankung gehören Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Trotzdem werden diese Erkrankungen häufig nicht richtig diagnostiziert.
Was aber macht es nun eigentlich so schwierig, diese beiden Diagnosen auseinanderzuhalten? Da sich die Symptome dieser Erkrankungen sehr ähneln, ist die Unterscheidung zu einer Depression oft sehr schwierig - insbesondere bei einer beginnenden Demenz. Hinzu kommt, dass es Menschen gibt, die sowohl an einer Demenz als auch einer Depression gleichzeitig leiden. So treten z.B. gerade im Frühstadium einer Demenz auch depressive Symptome auf, weil die Betroffenen den voranschreitenden Verlust ihrer geistigen Fähigkeiten bemerken und voller Angst, Sorge und Traurigkeit die zunehmenden Einschränkungen erleben.
Bei 35 bis 40 Prozent aller an Alzheimerdemenz erkrankten Patienten tritt im Verlauf der Erkrankung ein depressives Stimmungsbild auf. Sind Depressionen besonders stark ausgebildet, dann kann eine Abgrenzung zur Demenz bzw. eine eindeutige Diagnose so schwierig werden, dass dies nur unter stationären Bedingungen in einer psychiatrischen Klinik und unter Einbeziehung der Beobachtungen des ganzen Behandlungsteams gelingt.
Nachfolgend finden Sie hier einige der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden Krankheitsbildern. Diese dienen aber nur als Orientierungshilfe, da sich die Symptome – wie zuvor bereits beschrieben – sehr ähnlich sein können. Wenn bei Ihnen oder Ihrem Angehörigen mehrere dieser Symptome vorliegen, sollten Sie die Beschwerden ärztlich abklären lassen. Hierzu sollte die erste Anlaufstelle der Hausarzt sein, mit dem sie das weitere diagnostische Vorgehen besprechen können.
Symptomatische Unterschiede von Depression und Demenz
Erkrankungsbeginn: Während eine Demenz schleichend beginnt und sich über Monate bis Jahre kontinuierlich verschlechtert, zeichnet sich eine Depression mit einem raschen Beginn und einer Krankheitsdauer von oft weniger als 6 Monaten aus.
Orientierung: Im Rahmen einer Depression sind die Erkrankten weitestgehend vollständig orientiert. Die Betroffenen wissen, wie sie sich Hilfe holen können und tun dies gezielt. Bei Vorliegen einer Demenz kommt es oft bereits zu Beginn der Erkrankung zu Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, die im Verlauf zunehmen. Demenzkranke suchen zunehmend ungezielt Hilfe.
Problembewältigung: Menschen mit einer Depression stellen ihre Einschränkungen oft mit sehr ausführlichen Beschreibungen in den Vordergrund. Sie reagieren häufig auf Leistungsanforderungen mit Aussagen wie „Ich schaffe das nicht" oder „Ich kann das nicht". Auf an sie gerichtete Fragen kommen oft „Ich weiß nicht" Antworten und die Betroffenen neigen zum sorgenvollen Grübeln. Menschen, die an einer Demenz leiden bagatellisieren dagegen ihre Einschränkungen sehr oft bzw. machen ihr Umfeld für ihre Defizite verantwortlich.
Kognitive Störungen: Darunter versteht man Störungen der Informationsverarbeitung und -umsetzung. Im Rahmen einer Depression handelt es sich oft nur um gering ausgeprägte Beeinträchtigungen, die dann auch eher gleichbleibend sind. Die Betroffenen zeigen oft gute Alltagskompetenzen, die im Widerspruch zum oft schlechten Abschneiden in Leistungstests stehen. Hinsichtlich ihrer Beeinträchtigungen leiden Depressive vielfach auch unter Schuldgefühlen. Bei einer Demenzerkrankung hingegen treten zunehmende kognitive Störungen auf, die im Einklang mit dem immer schlechteren Abschneiden in Leistungstests stehen. Die Alltagskompetenzen nehmen kontinuierlich ab und entsprechen damit ebenfalls den Testergebnissen.
Schlaf: Depressive Menschen leiden häufig aufgrund einer sorgenvollen Grübelneigung an Ein- und Durchschlafstörungen, während es bei einer Demenzerkrankung eher zu zunehmender nächtlicher Unruhe und Umtriebigkeit kommt.
Soziale Aktivitäten: Depressive Menschen neigen dazu, sich sozial zurückzuziehen während Demenzkranke oftmals gerade zu Beginn der Erkrankung noch versuchen, sozial aktiv zu bleiben.
Stimmung: Bei einer Depression kommt es häufig zu einem Stimmungstief am Morgen während es bei einer Demenzerkrankung eher zu einem Stimmungstief am Abend kommt.
Antidepressiva: Diese Medikamente können bei beiden Krankheitsbildern zu einer Besserung der Stimmung führen. Im Gegensatz zur Demenzerkrankung bessern Antidepressiva bei Depressionen jedoch auch die kognitiven Beeinträchtigungen.
Weitere Informationen
Die Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg gibt Auskunft über ihre Rehaleistungen und die Mitnahme des Demenzbetroffenen. Telefonische Beratung: 04541 13 38 00.