Manchmal ist es kaum auszuhalten, wenn der demenzkranke Partner Dinge tut, die man einfach nicht nachvollziehen kann oder man selbst mit Vorwürfen überschüttet wird und gar nicht weiß, aus welchem Grund. Da bleibt einem doch eigentlich das Lachen im Hals stecken, oder? Diplom-Psychologin Bianka Mohn zeigt eine Methode, die helfen kann: Nimm’s mit Humor.
In meiner Therapiegruppe herrscht heute gedrückte Stimmung – es geht um schwierige Situationen mit demenzkranken Angehörigen: Hose und Hemd über den Schlafanzug angezogen, Salz und Pfefferstreuer im Tiefkühlfach, ein Angehöriger wird beschuldigt, die Partnerin laufend zu bestehlen, ein anderer, dass er doch nur auf das Erbe aus sei, das er aber keinesfalls bekäme. Jeder spürt die gleiche Hilflosigkeit, Ohnmacht und Traurigkeit …
Witzige Situationen
Nun berichte ich den Teilnehmern von einem vorherigen Patienten, dessen Frau ihn die meiste Zeit nicht mehr als ihren Ehemann ansah, es aber durchaus genoss, dass er so nett zu ihr war, sich um alles kümmerte und fast immer an ihrer Seite blieb. Dabei hatte sie manchmal scheinbar ein schlechtes Gewissen und fragte, was wohl ihr Gisbert (ihr Ehemann) darüber denke und dazu sagen würde. Der wisse über alles Bescheid und sei einverstanden – sagte unser Patient, ihr Ehemann. Und sie könne doch froh sein, dass er – der „Neue“ - auch Gisbert heiße, so müsse sie sich nicht zwei Namen merken! Das fand sie dann auch praktisch. Sie blieb ein wenig skeptisch, fragte immer wieder einmal nach, ließ sich auf dieselbe Weise aber auch immer wieder beruhigen.
Diese kleine wahre Geschichte trägt in der Gruppe zur Erheiterung bei und viele können plötzlich Erlebnisse beisteuern, die hier in der Atmosphäre der Gruppe von Gleichbetroffenen ihren Schrecken verlieren: Eine Patientin berichtet von ihrem früher sehr ordentlichen Ehemann, der es seit seiner Erkrankung scheinbar weniger ernst mit der Ordnung nimmt, oder jetzt eben seine eigene Ordnung hat. (Natürlich macht kein demenziell erkrankter Mensch etwas aus Jux oder um den Anderen zu ärgern, sondern weil er nicht anders kann.)
Die Dame berichtet, ihr Ehemann esse einen Apfel immer bis auf den Stiel auf und dieser lande dann an den unterschiedlichsten Orten, wo so ein kleiner Rest eben hinpasse – zuletzt im Schlitz ihres Druckers. Dieser versagte seinen Dienst und musste (Ursache zunächst unbekannt) zur Reparatur. Der Mechaniker gab das Gerät wieder funktionstüchtig zurück und lieferte den kleinen Übeltäter (Apfelstiel) fein säuberlich - fast detektivisch wie in den üblichen TV-Krimis – in einer Plastiktüte mit ab.
Der Ärger verraucht
War sie aber zu Hause noch verwundert, empört und verärgert gewesen, so kann sie hier gemeinsam in unserer Gruppe nun darüber lachen und sich vielleicht bei einem nächsten ähnlichen Erlebnis an diese Heiterkeit erinnern. Dies wird nicht nur ihr, sondern auch ihrem Ehemann helfen. Denn auch demente Menschen spüren, wenn sie etwas „nicht richtig“ gemacht haben, zumindest am Blick, am Tonfall oder auch den Worten der Angehörigen, die ihre Verständnislosigkeit und Enttäuschung nicht immer zurückhalten können. Kann man jedoch darüber lachen, am besten gemeinsam, so lässt sich auch eine schwierige Situation viel besser aushalten.
Das Lachen wiedergefunden
Das Lachen hilft auch dem Demenzbetroffenen „Lachen ist gesund“ oder gar „die beste Medizin“. Auch im Umgang mit dementen Menschen haben diese alten Volksweisheiten Recht! In der Psychotherapie gilt seit langem auch „Humor hilft heilen“! Dabei ist es wichtig, nicht über den Erkrankten zu lachen, sondern mit ihm. Skurrile Situationen nicht zu dramatisieren, sondern sie von der heiteren Seite zu betrachten, ist zweifelsohne eine Kunst und erfordert eine gewisse Distanz zum Erlebten, die man nicht immer hat.
Angehörigen hilft es jedoch auch – und das wird im Rahmen der Rehabilitation iin der Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige immer wieder deutlich – im Nachhinein gemeinsam lachen zu können und nicht alles ganz ernst zu nehmen, Bemerkungen oder Handlungen nicht als „Gemeinheit“ zu bewerten und gekränkt zu reagieren. Zu akzeptieren, dass sich Menschen, die sich selbst immer mehr verloren gehen, plötzlich ganz anders, immer häufiger „unlogisch“ und leider auch recht selbstbezogen verhalten, ist nicht einfach. Dies der Krankheit und nicht dem Menschen zuzuordnen, ist vielleicht die schwierigste Leistung, die von den Angehörigen abverlangt wird.
Es ist wohltuend zu erleben und für mich ein großer Behandlungserfolg, wenn Menschen am Ende ihrer stationären Behandlung äußern, sie hätten ihr Lachen wieder gefunden! Denn Lachen ist ein Zeichen für Lebenslust – und die geht leider oft verloren in der verantwortungsvollen 24-Stunden-Versorgung eines dementen Angehörigen.
Mein Tipp: Dass sich beim Erzählen von absurden Erlebnissen negative Gefühle in Lachen auflösen können, das erleben Angehörige vor allem in Selbsthilfegruppen.
Weitere Informationen
Die Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg gibt Auskunft über ihre Rehaleistungen und die Mitnahme des Demenzbetroffenen. Telefonische Beratung: 04541 13 38 00.